(Zitat aus der Badischen Zeitung vom 31.10.2001)
Mit einer Zahlung von 300 Millionen Mark an die Bundesregierung wollen die Unternehmen der forschenden Arzneimittelindustrie den geplanten Preisabschlag für Medikamente verhindern. Diese Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde in Berlin am Dienstag inoffiziell bestätigt. In Kreisen der Pharmahersteller hieß es, man biete diese Summe an, wenn die Bundesregierung im Gegenzug auf den für 2002 und 2003 geplanten vierprozentigen Preisabschlag bei Arzneimitteln verzichte, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen. Dieser Abschlag würde der Pharmabranche nach überschlägiger Rechnung zwischen 500 und 650 Millionen Mark kosten. Das Geld für die Solidaritätsaktion solle auf ein Treuhandkonto der Bundesregierung eingezahlt werden. Können sich die Hersteller, die die Branchengewerkschaft an ihrer Seite wissen, durchsetzen, droht ein noch größeres Defizit im Gesundheitswesen.
(Zitat ende)
War es doch schon dreist von einigen Firmen - so wie es bis vor kurzem noch möglich war - Schmiergelder steuerlich als "Sonderausgaben" geltend zu machen, so scheuen sie sich heute nicht mehr, öffentlich solche Gelder anzubieten. Schmiergelder ?
Natürlich, welchen anderen Grund sollte die Pharmaindustrie sonst haben 300 Millionen Mark anzubieten ?
Von diesem geplanten Abschlag würde die Allgemeinheit profitieren, von den gesparten 200 bis 350 Millionen Mark nur die Aktionäre die sicherlich nur einen Bruchteil der Bevölkerung ausmachen.
Was mich am meisten betroffen macht ist die Rolle die die
Gewerkschaft spielt. Sie stellt sich an die Seite derer, die sie eigentlich kontrollieren
soll, gegen die sie eigentlich legitime Forderungen der Beschäftigten - die nebenbei
bemerkt auch von steigenden Krankenkassenbeiträgen betroffen sind - durchsetzen sollte.
Was ist von einer solchen Gewerkschaft noch zu halten ?
Hier fällt mir ein Sprichwort ein:
Wes' Brot ich ess, des' Lied ich sing...
Will sagen, die Gewerkschaften vertreten die Interessen der Arbeitgeber und
kassieren zu alledem noch Beiträge der Mitglieder. Das nenne ich wahrlich unverfroren...
Die Gesetzgebung liegt - so ist zumindest die allgemeine Meinung - noch immer bei der gewählten Regierung. Dieser öffentliche Vorstoß der Pharmaindustrie läßt mich nun aber glauben, dass es hinter den Kulissen schon lange nicht mehr so ist und die Diktatur des Kapitals bereits so weit fortgeschritten ist, dass sie diese versuchte Rechtsbeugung öffentlich "anbieten" kann.
Und diese Machenschaften sollen nun von den Kranken bezahlt (Eigenanteil), von den Kassen getragen und neben steuerlichen subvensionen auch noch durch Rechtsbeugung "Gewinnoptimiert" werden !
Das ganze dann noch als Solidaritätsaktion zu bezeichnen schlägt
dem Fass den Boden aus. Wer erklärt sich hier mit wem solidarisch ?
Sollen die Beitragszahler die "ach so arme" Pharmaindustrie unterstützen damit
die Aktionäre nicht im Armenhaus landen ?
Wenn es mir möglich ist, werde ich diese "Solidarität" verweigern.
Hierzu auch ein Kommentar aus der Badischen Zeitung vom selben Datum:
(Zitat)
Pharmafirmen bieten Millionen
Fragwürdiger Vorstoß
Dass hinter der politischen Bühne nicht nur sachlich um Lösungen
gerungen, sondern auch gekungelt wird, gehört wohl zum Geschäft [1]. Man kann es jedoch
nur als dreist bezeichnen, wenn ein Industrieverband offen versucht, mit einer hohen
Geldsumme ein Gesetz zu verhindern. 300 Millionen Mark ist es den forschenden
pharmazeutischen Unternehmen wert, die geplante Absenkung der Arzneimittelpreise um vier
Prozent zu kippen. Stutzig macht schon allein die verbale Tarnung des Vorstoßes als
"einmalige Solidaritätsaktion". Denn Solidarität ist im alltäglichen
Verteilungskamp des deutschen Gesundheitswesens nur eine schöne Wunschvorstellung. Doch
so verwerflich dieser Bestechungsversuch auch anmutet - Gesundheitsministerin Ulla Schmidt
ist durch das Angebot der Pharmaindustrie noch weiter in Bedrängnis geraten. Sie kann es
nicht einmal empört ablehnen. Denn hinter ihr steht ein Kanzler, der wiederum auf Druck
der Gewerkschaften darauf drängt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen
nicht durch weitere staatliche Eingriffe zu gefährden [2]. Dabei zeigt die Erfahrung,
dass verordnete Preissenkungen nicht das Geschäft der Pharmaindustrie ruinieren [3]. Auch
der frühere Gesundheitsminister Horst Seehofer ist diesen Weg gegangen, um die
explodierenden Arzneimittelausgaben in den Griff zu bekommen. Die Unternehmen haben
dennoch glänzend verdient.
Petra Krimphove
(Zitat ende)
[1] In diesem Kommentar entsteht der Eindruck, dass diese Kungeleien gutgeheißen werde.
Eigentlich finde ich es mehr als schade, wenn Kungeleien zum täglichen Geschäft einer
Regierung gehören. Meines Erachtens sollte vielmehr die Regierung solche Kungeleien
unterbinden, mit gutem Beispiel voran gehen und einen ehrlichen, an Recht und Gesetz
gebundenen Lebensstil vorleben.
[2] "Staatliche Eingriffe gefährden Wettbewerbsfähigkeit" wird von den
Gewerkschaften behauptet. Zum einen bin ich davon nicht überzeugt, zum zweiten bin ich
der Auffassung, dass ein solide geführtes Unternehmen einiges an staatlichen Eingriffen
aushält und zuletzt, wer schützt den Staat - so wie im vorliegenden Fall - vor
Eingriffen durch die Wirtschaft ?
Auf der anderen Seite darf aber der Staat gerne eingreifen, wenn durch Misswirtschaft oder
(angeblich) unvorhersehbare Ereignisse wie dem Anschlag vom 11.09.2001 Betriebe in
finanzielle Schwierigkeiten geraten. Wo bleibt denn da bitte die freie
Marktwirtschaft ?
"Gewinne optimieren und Verluste sozialisieren" das ist der Leitspruch, dass
dieser aber nur der Zielgruppe der FDP (den Besserverdienenden) nutzt ignorieren - oder
zumindest verdrängen - noch immer viel zu viele Menschen.
[3] Besonders die Pharmaindustrie hat bisher noch immer neue Betätigungsfelder gefunden,
wenn ein Geschäftszweig weggebrochen ist. Wenn schon Valium als Mittel gegen
Prüfungsängste empfohlen wird, dann wird eben demnächst herausgefunden, dass (nur
hypothetisch) Penicilin eine noch bessere Wirkung bezüglich der sexuellen Potenz des
Mannes hat als Viagra....
08.11.01 Wie soeben in den 23:00 Uhr Nachrichten in SWR3 vernommen,
hat die Pharmaindustrie - wie so oft unter Androhung von Verlust von Arbeitsplätzen -,
ihre Interessen durchgesetzt und das geplante Gesetz verhindert. Nach der Zustimmung der
Regierung bezeichnete der Verband der Pharmahersteller die Arbeitsplätze als
"sicherer". [1]
Was hier passierte ist ein Verbrechen an der deutschen Bevölkerung sowohl von Seiten der
Pharmaindustrie (Erpressung der Gesetzgebung) als auch von Seiten der Regierung, denn
diese hat - als Interessenvertretung der Bevölkerung - diese Interessen nicht vertreten.
Die Gewerkschaft die das unterstützt hat kann wirklich stolz auf sich sein.......
[1] Hierzu aus der Gesamtbetriebsvereinbarung für Standort- und Beschäftigungssicherung bei der Bayer AG in Deutschland
(Zitat)
Schließungen von Betrieben bzw. Teilbetrieben bleiben nach sorgfältiger Prüfung aller Handlungsalternativen ultima ratio.
(Zitat Ende)
Die genannten Maßnahmen - mit den dazugehörenden Entlassungen von
Personal - sollen also zwar die letzte Wahl sein, werden aber durchaus in Erwägung
gezogen.
Die Gesamtbetriebsvereinbarung und viele weitere Informationen finden Sie auf den Seiten
von labournet.de.
Verbrechen in der Gesundheitsbranche |